Erst gemeinsamer Nießbrauch und dann Scheidung – ganz schlechte Konstruktion

Ein in die Jahre gekommenes Ehepaar macht scheinbar alles richtig, um seine Altersversorgung zu sichern: Wie Hundertausende andere auch organisieren sie eine vorweggenommene Erbfolge für die Kinder in der Weise, dass die Kinder Grundbesitz erhalten. Die Eltern behalten sich den Nießbrauch vor, sodass sie insbesondere weiterhin in ihrem Haus wohnen können. Das alles ist praktisch und führt zudem zu interessanten Steuerreduzierungen.

Indes: Die Regelung des Nießbrauchs im Bürgerlichen Gesetzbuch ist lückenhaft. Wer hier nicht passgenau die Verträge formuliert und nicht nur auf die Steuern schielt, riskiert, wenn die Dinge aus dem Ruder laufen, nicht nur Kollateralschäden.

In unserem Beispiel hatten die Eltern nicht bedacht, dass ihre Ehe, die jahrzehntelang gehalten hat, doch in die Brüche gehen könnte. Und da tauchen nun, da man sich scheiden lassen möchte, ungeahnte Probleme auf. Die Eltern, die ihr Eigentum an die Kinder übertragen haben, bilden – so nennt man das – eine gesamthänderische Nießbrauchsgemeinschaft (nachzulesen in § 428 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Und das bedeutet: Keiner der beiden Nießbraucher kann die Auflösung dieser Gemeinschaft einseitig durchsetzen. Wie so oft in Fällen, wenn die Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs angesprochen sind, ziehen sich die Juristen dann auf die Konstruktion zurück, dass nach Treu und Glauben hier doch noch eine Lösung gefunden werden kann. Aber eine Aufhebung des Vertrages aus wichtigem Grund scheidet in diesem Falle aus. Das gilt auch dann, wenn die Ehe der Eltern in unserem Beispiel geschieden wird oder wenn die Beteiligten total zerstritten sind, selbst dann, wenn einem der beiden schweren Verfehlungen gegenüber dem anderen anzulasten sind.

Wenn also gar nichts mehr geht, sollte überlegt werden, ob diese Zwangsgemeinschaft im Rahmen der Scheidungsvereinbarung gelöst werden kann – in solch einer verfahrenen Situation sicher kein einfaches Unterfangen.

Was ist die Moral von der Geschicht? In Zeiten, in denen man sich noch gut versteht, zu Zeiten, wo man sich noch vertraut, sollte man auch den worst case bedenken, nämlich dass diese gute Ehe doch eines Tages zerbrechen könnte.

Wer also diese gesamthänderische Lösung vermeiden möchte, könnte andere Gestaltungen erwägen. So wäre zu denken an die Vereinbarung eines so genannten Sukzessivnießbrauchs , nämlich eines jeweiligen Bruchteilsnießbrauchs, der die Abrede enthält, dass dieser Bruchteilsnießbrauch auflösend bedingt durch den Tod des einen Berechtigten bestellt wird und für den anderen die Rechtswirkung aufschiebend bedingt durch den Tod des Erstberechtigten eintreten soll. Hier sollte man sich an § 158 Absätze 1 und 2 BGB orientieren.

Stand: Februar 2021

(Verfasst für Elite-Brief)