Deutsche erben international

120.000 Deutsche, so liest man in den Statistiken, leben ständig in Österreich. In Spanien sind es gar 200.000. Da kann es eines Tages ein böses Erwachen geben, wenn diese Leute sterben und man deren Testament eröffnet. Zwar werden es (hoffentlich) nicht die Verstorbenen sein, die böse erwachen, wohl aber deren Erben: Vielen, die im Ausland leben, ist nicht bewusst, dass ihr Testament nach dem Recht des Landes ausgelegt wird, in dem sie zuletzt gelebt haben –da, wo sie ihren persönlichen Aufenthalt gehabt haben, wie das technisch heißt.

Das war früher anders. Der Wechsel der rechtlichen Situation hat sich aber noch längst nicht herumgesprochen. Nach deutschem Zivilrecht war es bis Mitte des Jahres 2015 so, dass im Falle des Todes eines Menschen die Rechtsnachfolge dem Recht des Staates folgte, dem der Verstorbene im Augenblick seines Todes angehörte (Art. 25 EGBGB). Kurz gesagt: Starb ein Deutscher, egal wo, dann wurde sein Erbe nach deutschen Regeln abgewickelt.

Seit dem 17. August 2015 aber gilt die Europäische Erbrechtsverordnung in Deutschland. Danach ist es nun so, dass die Rechtsnachfolge sich nach dem Staat richtet, in dem der Verstorbene im Zeitpunkt seines Todes seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte (Artikel 21 der Europäischen Erbrechtsverordnung). Diese Regel gilt in der gesamten EU mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs, Irlands und Dänemarks.

Erben, die in diese Situation einfach hineinrutschen, weil sie beziehungsweise der teure Verblichene die neue Rechtssituation nicht berücksichtigt haben, können sich im Todesfall unvermittelt mit einer Rechtslage konfrontiert sehen, die sie sich in ihren schlimmsten Träumen nicht habe vorstellen können. Beispielsweise ist es so, dass Rumänien ein gemeinschaftlich errichtetes Testament nicht kennt, ja dass ein solches sogar nichtig ist. Für den Fall müsste der Nachlass so behandelt werden, als hätte es gar kein Testament gegeben, und es müsste dann rumänisches Recht Anwendung finden.

Oder Schweden: Hier ist, sofern es keine besondere Bestimmungen gibt, zumeist der Ehegatte Alleinerbe, in Deutschland wären es der Ehegatte und die Kinder. Da kann man Überraschungen erleben.

Dem kann man entgehen, indem man – und zwar im Testament – bestimmt, dass für die Auslegung des Textes deutsches Recht gelten soll. Oder allgemein ausgedrückt: Wer seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, aber dennoch will, dass im Falle seines Todes das Erbrecht des Landes anwendbar ist, dessen Staatsangehörigkeit der Verfasser des Testaments besitzt, der muss künftig eine entsprechende Rechtswahl testamentarisch treffen.

Die sicherste Lösung in diesem Fall wäre, dass der betreffende Deutsche, der ständig im Ausland lebt oder zumindest nicht ausschließen kann, dass das für ihn gilt, wenn er stirbt, sein Testament neu fasst und darin bestimmt, dass für die Auslegung deutsches Recht gelten soll. Man kann ein bereits existierendes Testament auch entsprechend ergänzen. Sicherheitshalber ist aber eine völlige Neufassung des Testaments dringend anzuraten, versehen mit einem Passus, dass alle früher abgefasste Testamente hiermit nichtig sein sollen.
Der gewöhnliche Aufenthalt

Wenn der Erblasser keine Regelung getroffen hat zur Frage, welches Recht zur Auslegung seines Testaments Anwendung finden soll, dann wird also gefragt, welches sein gewöhnlicher Aufenthaltsort war im Zeitpunkt seines Todes. Das ist bei einem Rentner, der im Jahr nur noch für ein paar Wochen nach Deutschland kommt, sonst aber auf den Kanaren, in Portugal oder Südfrankreich lebt, dann eben eines dieser Länder. Dann sollte er sein altes Testament aus der Schublade ziehen und ausdrücklich bestimmen, dass es nach deutschem Recht ausgelegt werden muss.

Der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Verblichenen ist auch noch wichtig für die Frage, welches Gericht bei Streitigkeiten in diesem Zusammenhang zuständig sein soll. Grundsätzlich ist in diesen Fällen (wieder) ein Gericht des Staates zuständig, in dem der Verstorbene zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Hat der Verstorbene aber eine Rechtswahl (für Deutschland) getroffen, dann können sich seine Erben auch in der Frage des Gerichtsstandes an diese Aussagen hängen und gemeinsam bestimmen, dass auch gerichtliche Auseinandersetzungen über das Testament vor deutschen Gerichten stattzufinden haben.

Achtung Kostenfalle

Wer eine Rechtswahlklausel in sein Testament aufnimmt und zwar in ein notarielles Testament, sollte wissen, dass er die Notarkosten dadurch um 30 Prozent erhöht. Errichten beispielsweise Ehegatten ein gemeinschaftliches Testament und verfügen sie damit über ein Vermögen von 1 Million €, dann wird der Notar dafür Gebühren in Höhe von 4.153,10 € verlangen, nimmt er dazu aber noch die Rechtswahl auf, dann erhöhen sich die Gebühren des Notars auf 5.295,50 €.

Muster einer Rechtswahlklausel

Hiermit erkläre ich, Manfred Mustermann, dass ich deutscher Staatsangehöriger bin. Für meine Rechtsnachfolge von Todes wegen wähle ich ausdrücklich das Recht der Bundesrepublik Deutschland, wie dies Art. 22 der Europäischen Erbrechtsverordnung zulässt. Diese Rechtswahl soll unbeschränkt gelten, ausdrücklich auch dann, wenn ich meinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland aufgebe.

Verfasst für Elite-Report

Stand: Oktober 2019