Verlustrücktrag bei Kapitalgesellschaften – Bundesverfassungsgericht greift ein.

Da hatten zwei Leute ein Reiseunternehmen gegründet: Organisation von Pauschalreisen, und zwar in Form einer GmbH. Das war 2006. Die Geschäfte gingen schlecht. Man fuhr 2006 und 2007 Verluste ein. Der eine Gesellschafter schaffte das finanziell nicht mehr und sah sich zum Verkauf seiner Anteile an einen neuen Gesellschafter genötigt. Ab jetzt gab es aber tatsächlich Gewinne. Und der Steuerberater tat, was seine Mandanten von ihm verlangten: Er rechnete die Gewinne in 2008 gegen mit den Verlusten aus 2006 und 2007, das hätte der Gesellschaft gut getan.

Kenner wissen, dass hier das Finanzamt nicht mitspielt, und zwar unter Verweis auf Paragraph 8c des Körperschaftsteuergesetzes. Nach dieser Norm ist es verboten, eine solche Verrechnung vorzunehmen, wenn eine Übertragung von mehr als 25 % der Anteile vorangegangen war. Der Sinn dieser Regelung ist es, missbräuchliche Steuergestaltungen zu verhindern, nämlich dass ein Dritter, dadurch, dass er mehr als ein Viertel des Gesellschaftskapitals übernimmt, seine Gewinne aus anderen Geschäften mit den Verlusten der Gesellschaft gegenrechnen kann.

Die Absicht des Gesetzgebers ist verständlich. Im Fall unseres Reiseunternehmens aber war die Motivation des Gesellschafters, der verkauft hat, wirtschaftlich völlig nachvollziehbar. Die Gesellschaft stritt diesem Fall deshalb durch deshalb durch alle Instanzen bis zum Verfassungsgericht. Und das Verfassungsgericht sagte klipp und klar: Allein der Erwerb von mehr als 25 % der Anteile an einer Kapitalgesellschaft ist noch kein Indiz für missbräuchliche Steuergestaltung. Denn: Für die Übertragung von Beteiligungen an Verlustgesellschaften kann es vielfältige Gründe geben. Man könne nicht pauschal annehmen, dass der Anteilseigner die Verluste zu Steuerminderung für Gewinne aus einem anderen Unternehmen nutzen will. Das Gericht sah den Gleichheitssatz verletzt.

Mit dieser Entscheidung unseres höchsten Gerichts ist es der GmbH nun möglich, den Verlustvortrag für die Jahre 2006 und 2007 vorzunehmen. Also: Die GmbH darf die Verluste mit den Gewinnen aus dem Jahr 2008 verrechnen. An diesem Prozess hatte sich übrigens der Bund der Steuerzahler beteiligt und somit einen Musterprozess durchgeführt.

Der Bund der Steuerzahler bemerkt dazu Folgendes: Das Urteil ist besonders für solche Kapitalgesellschaften von Bedeutung, deren Steuerbescheid aufgrund eines Einspruchs- oder Klageverfahrens noch offen ist oder deren Steuerbescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen. Diese Steuerzahler können sich auf den entsprechenden Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29.03.2017 (Aktenzeichen: 2 BvL 6/11) berufen und den Verlustvortrag für den Zeitraum zwischen 2008 und 2016 geltend machen.

(Verfasst für: Elite-Report)
Stand 01.07.2017