Ewiges Widerrufsrecht für alte Lebensversicherungsverträge

Die Lebensversicherer und die Rentenversicherer: Jahrelang haben sie sich über ein Urteil des Bundesgerichtshofs hinweggesetzt. Das hat jetzt ein Ende. Betroffene können sich ihr Geld holen und das können leicht einige Tausend Euro sein.

Darum geht es: Wer zwischen 1995 und 2007 eine private Kapitallebens– oder Rentenversicherung abgeschlossen hat, kann den Vertrag auch heute noch rückabwickeln – selbst wenn der inzwischen gekündigt wurde. Es war schon im Jahr 2014, dass der Bundesgerichtshof entsprechend entschieden hat, 2015 hat er das noch präzisiert. Aber die Versicherer wehrten sich mit Händen und Füßen, manche auch dann noch, als selbst das Bundesverfassungsgericht den Bundesgerichtshof bestätigt hatte.

Es geht, um die Fälle kalendermäßig einzugrenzen, um Verträge zwischen dem 29.7.1994 und dem 31.12.2007, abgeschlossen nach dem sogenannten Policenmodell. Dabei musste der Versicherer dem Versicherungsnehmer nach dessen Antrag erst die Versicherungsbedingungen und notwendigen Verbraucherinformationen aushändigen. Der Versicherungsvertrag kam zustande nach Ablauf einer ge-wissen Frist ab Erhalt der Unterlagen. Die Frist begann aber erst zu laufen, wenn der Versicherungsnehmer – der Kunde – über sein Widerspruchsrecht belehrt worden war (§ 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG, alte Fassung). Das Widerspruchsrecht erlosch jedoch ein Jahr nach Zahlung der Erstprämie, unabhängig vom Erhalt der Unterla-gen. Im Jahr 2008 wurde aber das Policenmodell abgeschafft und durch das An-tragsmodell ersetzt. Der Versicherer muss dem Versicherungsnehmer jetzt sämtliche Vertragsunterlagen vor Abgabe der Vertragserklärung durch den Kunden vorlegen, d.h.: Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshof wirkt sich nicht auf Verträge aus, die nach dem Antragsmodell formuliert sind.

Für Verträge nach dem Policenmodell aber gilt: Ein Widerspruch ist auch nach Jahren noch möglich. Der Bundesgerichtshof hat ausdrücklich gesagt, dass der An-spruch des Versicherungsnehmers trotz langen Zeitablaufs nicht verwirkt ist, sofern nicht ordnungsgemäß belehrt wurde. Das Widerrufsrecht gilt ewig.

Wichtig dabei die Beweislastregel: Nicht der Kunde trägt die Beweislast, sondern der Versicherer dafür, dass der Versicherungsnehmer die Versicherungsbedingun-gen und die Verbraucherinformationen vollständig erhalten hat. Und es ist einfach so, dass Fehler in der Belehrung damals das Übliche waren. Man hat oftmals die strengen Anforderungen nicht beachtet. Diese reichen bis zur drucktechnischen Gestaltung: Die Belehrung musste so hervorgehoben sein, dass der Kunde sie nicht übersehen kann. Kleingedruckt geht gar nicht.

Die Rückabwicklung ist gegenüber der schlichten Kündigung vor allem deshalb interessant, weil sie dem Versicherten viel mehr Geld bringt. Denn die Versiche-rungsunternehmen müssen alles zurückzahlen, was sie vom Kunden erhalten haben, alle gezahlten Prämien einschließlich der hohen Abschluss- und Verwal-tungskosten, ja auch die Zinsen die sie zwischenzeitlich mit den Beiträgen des Versicherungsnehmers erwirtschaftet haben. Lediglich die Beiträge für den Versicherungsschutz, etwa für die Absicherung von Angehörigen im Todesfall, werden nicht mehr ersetzt. Da kommen also trotzdem leicht einige Tausend Euro zusammen.

Es kann sich also für viele lohnen, einmal die alten Unterlagen herauszukramen, selbst, wenn der Vertrag schon lange gekündigt worden war. Dann aber sollte man sich an einen Fachmann halten oder an eine der vielen Verbraucherzentralen. Diese bieten bereits für geringes Geld ihre Dienste an. Betroffene mögen sich auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 07.05.2014, Aktenzeichen IV ZR 76/11, berufen.

veröffentlicht in: Elitebrief
Stand: September 2017