Musterfeststellungsklage – Die Sammelklage kommt noch im Herbst

Wenn das nicht stimmt, dann ist es zumindest gut erfunden: Als Angela Merkel und Martin Schulz (wer war das noch mal?)  sich im September 2017 im Fernsehen verbal duellierten, kam plötzlich ein neuer Begriff und zwar wie Donnerhall in die schläfrige politische Debatte: Die Musterfeststellungsklage. Auf einmal wachten alle auf und eine neue Sau wurde durchs Dorf getrieben.

Der Moderator, Claus Strunz, war so überrascht und dermaßen auf Ausländerrecht in dieser Debatte fixiert, dass er gar „Mustafastellungsklage“ verstanden haben soll. Auch nett.

Was war passiert? Martin Schulz holte eine alte sozialdemokratische Lieblingsidee ans Licht, nämlich die Sammelklage, die Idee also, dass sich viele Verbraucher zu-sammentun können, um einen Rechtsstreit zu führen zu einem Problem, das sie alle haben. Stichwort: Manipulation an Dieselmotoren.

Für die Einführung einer solchen Sammelklage lag bereits seit Jahren ein Entwurf beim (damaligen) Justizminister Maas in der Schublade, den umzusetzen sich aber die CDU/CSU bisher erfolgreich geweigert hatte. Die Bevölkerung hingegen hält wohl von dieser neuen Klageart ziemlich viel, zumal im Hintergrund die sagenhaf-ten amerikanischen Verhältnisse bei Sammelklagen winken und die Riesensum-men, die dort angeblich erstritten werden können.

Wie immer, wenn Angela Merkel auf dem falschen Fuß erwischt wird, schießt sie aus der Hüfte und tat dies auch in dieser TV-Diskussion: „Wir können hier verabre-den, dass wir morgen den Justizminister anrufen und ihn bitten, (den Entwurf) schnell zu überarbeiten“ – rief sie prompt in die Kamera. Und klar: Martin Schulz schlug sofort ein. Das alles ging fast so schnell wie die Ehe-für-alle. Und ebenso schnell wie da reagierte die SPD in der Sekunde. Die Ehe-für-alle war innerhalb einer Woche Gesetz geworden. Die Muster Feststellungsklage ist nun – es dauerte etwas länger – fest im neuen Koalitionsvertrag verbindlich vereinbart. Es ist damit zu rechnen, dass sie ab Herbst gilt, sodass noch in diesem Jahr die ersten Klagever-fahren angestrengt werden können – zur Verhinderung von Verjährungen.

Einen ersten Anlauf in Richtung Sammelklage machte unser Gesetzgeber, als es Streit um den Börsengang der T- Aktie gab wegen möglicherweise fehlerhafter An-gaben in den Telekom Prospekten. Hier entstand das „Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten“. Auch der Schauspieler Manfred Krug selig hatte sich als Werbender etwas zu weit aus dem Fenster gehängt.

Dann kam der Koalitionsvertrag 2013. Auf Drängen der SPD wurden dort erhebliche Möglichkeiten von Schadensersatzklagen für Verbraucher festgeschrieben, die Union blockierte erfolgreich. Erst als bei besagtem Fernsehduell das Thema hoch-kochte, konnte  auch Angela Merkel nicht mehr bremsen.

Musterfeststellungsklage = Verbraucherverein + 10 Betroffene + 50 Anmelder + 10 EUR

Um eine solche Musterfeststellungsklage, wie sie wohl nun Wirklichkeit wird,  an-zustrengen, müssen sich erst einmal zehn geschädigte Verbraucher zusammentun. Dann kann eine Verbraucherzentrale loslegen: Sie muss im Internet ein Klageregis-ter einrichten. Innerhalb von zwei Monaten müssen sich dann 50 Betroffenen re-gistrieren. Mit dieser Anmeldung wird die Verjährung der betreffenden Ansprüche ausgesetzt. Das Urteil in diesem Verfahren ist verbindlich für alle künftigen Gerichtsverfahren in solchen Sachen.

Wenn es tatsächlich eine solche Musterfeststellungsklage geben wird, dann muss nicht jeder einzelne, der glaubt, einen Anspruch zu haben, ins Prozessrisiko gehen. Er wartet ab, ob es einen Verbraucherverein gibt, der die Musterfeststellungsklage erhebt. Für eine Registrierungsgebühr von zehn Euro kann er sich anschließen. Und die Fälle, um die es geht: Gewährleistungsansprüche, die Verbraucher wegen mangelhafter Produkte haben können, bei Reisemängeln, gegen Bankgebühren, Mobilfunktarife – alles Fälle, mit jeweils niedrigem Streitwert, wo sich nicht so leicht ein Anwalt findet, der sich hier Meriten erwerben will. Aber nicht zu vergessen all die vielen Fälle, in denen sich Verbraucher getäuscht fühlen im Rahmen der Diesel-Abgasaffäre. Es ist klar: das ist der eigentliche Knackpunkt, der das Problem hochschaukelt.

Ein Branchendienst, der sich auf solche Rechtsthemen spezialisiert hat, befürchtet bereits den Zusammenbruch der „Justizinfrastruktur“ durch die massenhaft anfal-lenden Prozesse, die mit der Einführung des Musterfeststellungsverfahren zu er-warten seien. Er vermisst die dafür dringend erforderliche personelle Ertüchtigung der Justiz, so etwas käme in dem Entwurf nicht vor. Wieso auch? Die Justiz ist oh-nehin schon überlastet.
Und überhaupt: Der Name Mustafastellungsklage wäre so schlecht doch nicht.

Verfasst für Elitebrief

Stand: April 2018