Fiktiven Schadenersatz im Kaufrecht?

Wie das mit der fiktiven Schadensregulierung bei einem Autounfall ist, das weiß jeder, auch wenn er keinen Führerschein hat: Der Geschädigte rechnet mit der gegnerischen Versicherung den Schaden an seinem Auto so ab, als habe er es repariert. Er lässt ein Gutachten über den Schaden machen, lässt sich den so errechneten Schaden in Geld auszahlen. Repariert wird aber nicht oder nur das Nötigste oder der Geschädigte repariert in Heimarbeit. Das kann leicht verdientes Geld sein.

Gibt es so etwas auch, wenn man etwas kauft und an der Sache ein Schaden festgestellt wird?

Der Fall: Bei den Verkaufsverhandlungen für eine Wohnung war zur Sprache gekommen, dass die Schlafzimmerwand früher einmal feucht war. Also hat man im Kaufvertrag vereinbart, dass der Verkäufer eine Sanierung bezahlen muss, sollte bis zu einem bestimmten Datum wieder Feuchtigkeit auftreten. Es kam, wie vorausgeahnt: Die Feuchtigkeit kam hoch, der Käufer wollte den Verkäufer in die Pflicht nehmen. Der jedoch argumentierte: Nur wenn der Käufer den Schaden auch tatsächlich reparieren lässt und dies nachweist, wollte der Verkäufer für den Schaden aufkommen. Sollte heißen: Einen fiktiven Schadensersatz soll es nicht geben. Er berief sich dabei auf die neuere Rechtsprechung des VI.  Zivilsenats am Bundesgerichtshof (BGH). Der aber ist spezialisiert auf Werkvertragsrecht. Der Fall war zu dieser Zeit beim Oberlandesgericht Düsseldorf. Dieses verurteilte unseren Verkäufer zur Zahlung von rund 8000 EUR (und weiteren Kosten). Das Argument der Richter: Werkvertragsrecht ist in diesem Fall, wo es um Kaufrecht geht, nicht anwendbar. Sie halten eine Abrechnung nach Kostenvoranschlag für möglich ohne dass der Schaden beseitigt wird (also eine fiktive Schadensregulierung wie beim Pkw Unfall).

Und jetzt ist der Fall beim V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs. Der hatte sich erinnert, dass der VII. Zivilsenat im Werkvertragsrecht keine fiktive Schadensbemessung mehr geben soll. Der V. Senat wollte nun von den Kollegen nebenan wissen, ob sie immer noch auf ihrer Rechtsauffassung bestehen. Offensichtlich strebt man beim Bundesgerichtshof an, die Rechtsprechung zu vereinheitlichen. Die Richter des V. Senats scheinen nichts von der Abschaffung des fiktiven Schadensersatzes zu halten. Das Ergebnis wird spannend sein. Wir werden berichten.

Stand März 2020
Erstellt für Elite-Brief